Hallo Erich
Auch von mir die best möglichen Genesungswünsche an Deine Frau!
Ich habe gebannt mitgelesen.
Du schilderst ein plötzliches und unerwartetes Schlingern des Segway; im letzten Post vermutest du eine "Resonanz durch redundante Systeme".
Genau bei diesen Punkten sollten wir unsere Nachforschungen zum Unfallhergang beginnen.
Ich nehme mal an, dass dies die letzten Erfahrungen und Erinnerungen Deiner Frau während dem leider folgenschweren Sturz waren.
So ein Unfall ereignet oder entscheidet sich in Sekundenbruchteilen!
Ein Randstein, eine Rempelei des nachfolgenden Tourgastes oder eine technische Störung erfordern plötzlich und unerwartet von einem Segway-Fahranfänger die volle Beherrschung über ein Gerät, das der "Fun-Gast" eigentlich nur mal ausprobieren möchte.
Hut ab, vor dem, der das schafft!
Ich habe bei einer Störung nach 5000km Fahrerfahrung noch komplett falsch reagiert; glücklicherweise ohne Schaden.
Versuchen wir mal, die Fehlerquellen aufzusplitten:
1. Technische Störung
2. Mangelnde Einweisung durch Veranstalter
3. Bedienfehler in einer Notsituation
1. Die Technik eines Segway ist extrem auf Sicherheit für den Fahrer getrimmt! Die redundanten Systeme erkennen eine technische Fehlfunktion und leiten sofort Sicherheitsmassnahmen ein:
- sie reduzieren sofort die Geschwindigkeit
- sie übernehmen für 10 Sekunden die Funktion der ausgefallenen Baugruppe und WARNEN eindrücklich durch Schütteln am Leansteer und lautstarkem Piepsen :
Der Fahrer MUSS in der Warnzeit ZWINGEND und vor allem VOLLSTÄNDIG und von BEIDEN Fussmatten absteigen!!!!
Nach 10 Sekunden schaltet der Segway vollständig ab: Die Räder werden danach frei drehen können!! >Besonders wichtig (und lästig, falls die Sicherheitsabschaltung ausgerechnet in schiefem Gelände erfolgt ist.)
Die Segway-Technik überwacht ganz besonders, ob sich noch ein Fahrer auf dem Gerät befinden KÖNNTE! Dies geschieht über die vier Sensoren im Bereich der Fussmatten.
Was die "Technik" nicht erkennen kann: Ist die Taste noch durch einen urteils- und handlungsfähigen Fahrer gedrückt oder ist die Fahrererkennung nur aus Versehen noch gedrückt?
WICHTIG: Falls die Segwaytechnik noch einen Fahrgast auf dem Gerät vermuten muss,(aktivierte Trittschalter), setzt sie VOLLE 4 PS Motorenleistung ein, um den Fahrer dennoch zu balancieren versuchen!
Sobald alle Trittsensoren freigegeben sind, schaltet der Seg auf Begleitmodus um: extrem reduzierte Geschwindgkeit auf 3km/h und Abschaltung nach programmierter Zeit .
Du hast "Schlingern in der Lenkstange" erwähnt:
Die Lenkstange ist in Gummilagern senkrecht positioniert. Ein (natürlich doppelt ausgeführtes!) Potentiometer nimmt die Bewegungen auf und leitet sie an die Steuerung. Die Steuerung untersucht aber ständig diese beiden Potentiometer auf Plausibilität in allen Stellungen und über alle 6 sich ergebenden, bzw ausgegebenen Widerstandswerte bzw.Endpunkte.
Es gibt tatsächlich Fehler in diesen Sensoren. Sie bewirken schlimmstenfalls ein Ruckeln im Lenkgefühl, senden aber sofort eine Fehlermeldung an die Steuerung. Diese lässt ein Weiterfahren nicht mehr zu.
Es gäbe tatsächlich mögliche mechanische Störungen am Segway: Die mechanische Verbindung zwischen (dem elektr. mehrfach überwachten) Motor und dem Getriebe, dem Bereich der sog. Coupling und Elasto.
Nach einem Couplingbruch wäre ein Weiterfahren aber nicht mehr möglich.
Aber, bei der ganzen, bedauerlichen Schwere dieser Unfallfolge:
Bitte verstehe den Ausdruck "Fahrfehler" nicht als persönliche Beleidigung Deiner Frau!!
Können wir uns vorwurfslos auf den Begriff "Bedienfehler in einer Notsituation" einigen?
Zum Beispiel Verhalten nur wenige Zehntelsekunden (!!) nach der ungeklärten Ursache für die Notsituation:
Situation 1:
Deine Frau hat den Lenker losgelassen und ist möglichst sofort abgesprungen. Leider hat sie einen Fuss nicht rechtzeitig befreien können und er hat sich zwischen Schutzblech und Mittelkonsole verheddert. Bei einer anschliessenden Drehung des Segy wurde der Fuss verdreht, so dass es zum Bruch kam.
Situation 2:
Deine Frau hat aus Pflichtgefühl und um Schäden an Fahrzeug und Umgebung zu verhindern, verzweifelt versucht, mit einem abgestiegenen Bein und mit dem verbleibenden Bein auf einer Fussmatte verbleibend, die Situation irgendwie noch zu retten.
(Dies ist mir nach einigen tausend Kilometer genau so passiert und ich wollte mich vor Kollegen natürlich nicht blamieren
)
Die Folge war, dass sich jede Lenkerbewegung ungefiltert auf den Segway übertragen hat! Der Segway musste noch einen Fahrer vermuten und setzt wiederum seine vollen 4 PS Motorleistung ein, um den vermeindlich noch aufgestiegenen Fahrer vollständig in Balance zu behalten.
Bei beiden Situationen hätte der Lenker ins "Schlingern geraten" können, wie Du es beschreibst.
Bei Situation 1. womöglich rein durch die in Schwingung geratene Masse des Leansteer plus gefüllter Lenkertasche,
Bei Situation 2. durch Rettungsversuche und verzweifeltem Festhalten und Korrekturversuchen an und mit der Lenkstange.
Es ist selbstverständlich im Interesse aller Touranbieter, diese "annormale Schlingerbewegung am Leansteer" umfassend aufzuklären!
Bitte habe Verständnis, dass sie, auch in Unkenntnis der konkreten Begebenheiten, ihre jahrelangen Erfahrungen hier ausdrücken.
Ich möchte die technische Sicht verstehen und notfalls zu noch besserer Absicherung beitragen.
- "Mangelnde Einweisung?"
Das Thema darf ich als "ReparaturMensch" eigentlich nicht kommentieren. Nur so Viel:
Das Einweisungshandbuch von Segway.INC hat hunderte Seiten (pro Sprache!!) Kann ein "FUN-Tourteilnehmer" tatsächlich so lange zuhören und theoretisch nachvollziehen? und in Notsituation "richtig" reagieren, wenn sogar langjährige Nutzer falsch reagieren?
Falls tatsächlich ein solch umfassender Aufklärungsunterricht bei jedem Tourgast und für jede Notsituation zwingend notwendig würde und auch entsprechend mit absolvierter Prüfung dokumentiert und nachggewiesen werden muss, wären Segwaytourenqangebote in CH, DE komplett unmnöglich.
Softwarefehler:
Das gute daran: sie sind reproduzierbar! Gleiche Situation, gleiche Auswirkungen, weil systembedingt. Falls da Änderungen notwendig sind, wäre dies hoffentlich schon bei den vielen 100'000 Fahranfängern aufgefallen.
Physiklalische Grenzen bei nur einer Achse:
ANDERS als bei einem Fahrrad oder Motorrad mit zwei Achsen ist die Regelelektronik ultimativ auf Rückmeldungen vom Rad und dessen Fahrbahnhaftung angewiesen! Da geht es nicht, dass ein Fahrbahnkontakt "eben mal kurzfristig" ignoriert werden kann! Die Fahrzeugelektronik kann den Unterschied nicht erkennen, ob der mangelnde Fahrbahnkontakt über 1/10Sekunde oder gar noch 1 oder 5 Sekunden anhalten wird und in der Zeit jegliche Balancierversuche verunmöglicht!
Du wolltest vom Forum Erfahrungen und Statistiken. Die wären am klarsten von Versicherungen erhältlich, welche das Risikopotential durch Segways in freier Vermietung und innerhalb der Touranbieter schon aus Eigeninteresse sehr genau einschätzen und Prämien kalkulieren.
Die Erfahrungen der Forumsmitglieder, viele davon Touranbieter, basieren eben nicht auf dem 1 Promille Software- oder Technikversagen, welche beim Unfall Deiner Frau ebenso auch hätten Schuld sein können.
Aber ganz Gewiss sind alle Anbieter sehr froh, wenn die Risiken und auch Gefahren und Verhaltensregeln bei technischen Störungen umfassend an die "Fun-Erwartenden Fahranfänger" vermittelt werden könnten!
Sie sind hoffentlich in erwartungsvoller und entspannter Laune mit Kollegen, während sie sich den geschichtlichen Entstehungsweg von Segway und anschliessend die stundenlangen Warnhinweise des Guide anhören sollten.
Der Touranbieter muss einen Kompromiss finden, um allen Anforderungen nachkommen zu können. "Zuhören-Verpflichtung" und anschliessende Übung des Gelernten ist Standart der Einweisung, aber in der Notsituation konnte ich es selbst nach vielen km Fahrerfahrung nicht sofort umsetzen. (dennoch keinen Schaden erlitten)
Ehrlich gesagt halte ich eine solch 150%ige Einweisung bei Fahranfängergruppen für undurchführbar. Segway selbst schreibt bei Neugeräten einige Fahrkilometer Fahrerfahrung vor, bevor der Turtlemodus verlassen werden darf.
Wir müssen akzeptieren, dass ein Einachsiger Stehroller nur in Grenzen die physikalischen Gegebenheiten erkennen und nur automatisch darauf reagieren kann.
Grüsse vom Chrigel